Alle Gefühle sind ok, auch an Muttertag
Aus dem Bauch heraus würde ich schreiben wollen “Leute, ich verstehe das ganze Tamtam,um diesen Tag nicht”. Ende. Höchstwahrscheinlich würden mir daraufhin einige wohlwollend zustimmen, andere würden mich fragen, warum ich diesen tollen Tag nicht mag und wieder andere würde ich mit meiner saloppen Aussagen mächtig auf die Füße treten, weil es für sie ein Tag ist, der sie an etwas erinnert, was für sie schmerzhaft ist. Und dem Rest ist wahrscheinlich sowieso alles egal, und sie sehen weder den Sinn in diesem Tag noch darin, warum man einen Artikel darüber lesen sollte.
Einmal patriarchale Gehirnwäsche bitte
Ich schreibe trotzdem drüber, denn ich finde es wichtig. Vor allem, weil Muttertag bei mir persönlich lange ein schlechtes Gewissen ausgelöst hat. Anders als bei meiner Ablehnung gegenüber dem Valentinstag fühlte es sich falsch an den Muttertag abzulehnen. Denn schließlich ist es ein Tag, der einer der wichtigsten Rolle in meinem Leben gewidmet ist. Meiner Mutterrolle. Die patriarchale Gehirnwäsche lässt grüßen.
Vergesst die Blumen, lasst uns über Gleichberechtigung nachdenken
Doch anders als Anna Jarvis, die den Muttertag zum Gedenken an ihre Mutter 1907 in den USA erfunden hat, bedeutet mir dieser Tag nichts. Würde es ihn nicht geben, ich hätte ihn höchstwahrscheinlich auch nicht erfunden. Nicht, weil ich die Rolle der Mutter nicht wichtig finde. Nein, weil ich meine Energie lieber darauf verwenden würde, dass Mütter jeden Tag die Wertschätzung erfahren, die sie verdient haben. Aber da wir ihn schon haben, wie wäre es, wenn die Welt das Blumen schenken aufgibt und stattdessen an diesem Tag darüber nachdenkt, wie wir schneller in Richtung Gleichberechtigung kommen?
Die "Du kommst aus dem Gefängnis frei" Karte
Das wäre doch was. Dann müsste ich mich auch nicht mehr darüber aufregen, dass die ganze Nation an diesem Tag  “heile Welt” spielt. Das fand ich als Kind schon blöd. Und ich habe wirklich nie verstanden, warum meine selbstgemalten Bilder an Muttertag allen ein “YEAH, wie süß von dir” entlockt haben und an den anderen 364 Tagen nur ein “wir können aber nicht alle Bilder von dir aufheben”. Später folgten dann Pflichttermine zum Essen bei Mama, für die ich gern eine “Du kommst aus dem Gefängnis frei” Karte gehabt hätte. Und als ich selbst Mutter war, nervte mich lange mein selbstauferlegtes schlechtes Gewissen.
Wer vergleicht, verliert...

Doch woher kam das überhaupt? Heute würde ich sagen, es war eine Mischung aus meiner gesellschaftlichen Wahrnehmung/ Prägung und dem ungesunden Vergleich mit anderen Müttern. Egal, ob ich super fröhliche oder tief traurige Texte zum Muttertag las, alle lösten das Gefühl in mir aus ein Fehler im System zu sein. Einfach, weil ich diesen Tag nicht mochte. Dabei hatte nie jemand gesagt “Corinna, schäm dich, dass du Muttertag blöd findest”.

Nein, es war mein eigenes Hirn, dass die Worte der anderen dafür nutzte, um seine tief verankerten, unbewusst übernommenen Überzeugungen hinein zu interpretieren. Dann wurde schnell aus “Ich würde alles dafür geben, noch einmal mit meinem Kind dieses Tag zu erleben” “Warum bist du so undankbar und genießt nicht den Tag mit deinem Kind, du weißt gar nicht, wie gut du es hast”.

Erfüllung? Von wegen!

Verrückt, oder? Bevor ich Mutter wurde, dachte wirklich, ich würde in dieser Rolle die Erfüllung meines Lebens finden. Stattdessen habe ich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsbild einer Mutter vorgefunden. Welche einen regelrechten Kampf zwischen dem, wer ich bin und dem, was mein Hirn mir erzählte, wer ich sein müsste, mit sich zog. Long story short. Vergleich ist nie die Lösung und die perfekte Mutter ist die reinste Illusion. 

Heute weiß ich, der einzige richtige Weg für einen selbst ist immer nur der eigene und nicht der, der bei anderen so toll aussieht. Und deshalb ist es auch voll ok, wenn die eine den Muttertag mag, die andere ihn blöd findet und wieder andere vielleicht auch traurig an diesem Tag sind. Wir sind deshalb keine bessere oder schlechtere Mutter. Wir sind einfach Mütter. In diesem Sinne habt einen wundervollen Tag.

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