Was macht eine Sexcoachin?
Was fragt man eine Sexcoachin für Männer? Genau vor dieser Herausforderung stand ich vor ein paar Wochen. Ich hatte mich mit Julia Wolff zum Interview verabredet. Julia ist Sexcoachin für Männer und weiß somit aus erster Quelle, was Männer wollen oder eben nicht. Dabei ist ihr Leitsatz: “Dein Leben hat mehr Höhepunkte verdient”. Doch was macht eine Sexcoachin eigentlich konkret? In erster Linie hilft sie Männern dabei, ihre Gefühle rund um ihre Sexualität zu erkennen und auch anzunehmen, damit sie am Ende wieder ein erfülltes Sexleben haben. Ihre Kunden sind hauptsächlich Männer/ Väter, die in festen Beziehungen leben und deren Sexleben mit den Jahren irgendwie eingeschlafen ist.
Eigenverantwortung gegen Dürreperiode
Stellt sich mir die Frage, wie schläft ein Sexleben überhaupt ein? Einer der häufigsten Gründe für eine längerfristige Flaute im Bett ist bei Wolffs Kunden die Geburt eines Kindes. Dabei ist eine kurzfristige Dürreperiode durchaus normal. Wenn sie allerdings zu lang andauert, sollte man etwas dagegen tun (sofern es einen stört). Doch anstatt plötzlich rundum die Uhr um den Partner herum zu tigern und sexuelle Anspielungen zu machen, empfiehlt Julia im ersten Schritt erst einmal wieder Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Das bedeutet, man sollte sich fragen, was man braucht, damit es einem selbst wieder gut geht? Ganz unabhängig vom Sex. Vielleicht ist es Sport oder mehr Körperpflege, Freunde treffen oder was auch immer. Gleichzeitig darf man sich auch von dem Gedanken lösen, dass einer der Partner allein an der Sexflaute schuld sei. Es ist vielmehr ein stillschweigender Vertrag zwischen beiden Parteien. Und um den aufzulösen, müssen beide an den Punkt kommen, an dem sie Eigenverantwortung für sich selbst übernehmen.
Sexuelles Neuland…
In dem Gespräch mit Julia wollte ich ihr eigentlich all meine “Das wollte ich schon immer mal wissen” Fragen stellen. Doch irgendwie kam es anders. Denn das Gespräch hatte von Anfang an seinen ganz eigenen Flow, sodass ich Dinge gelernt habe, von denen ich keine Ahnung hatte, dass sie überhaupt existieren. Wie zum Beispiel, dass es “Fickmaschinen” gibt und das die Nachfrage nach solchen Geräten in Swingerclubs (wo es normalerweise genug Gelegenheiten für Sex geben sollte), recht hoch ist. Der Grund dafür, anders als menschliche Wesen ist die Maschine in der Lage, den ein und selben Punkt über lange Zeit gleichmäßig zu penetrieren. Ganz ehrlich, ich hätte ein Foto von meinem Gesichtsausdruck machen sollen, als ich Google nach einem Bild dafür gefragt habe.
Offene Beziehung?! Hot or not?
Auch wenn ich wahrscheinlich mehr Sex habe wie der Durchschnitt (denn, der hat laut Umfragen erschreckend wenig Sex) und seit meiner Teenagerzeit immer schon reges Interesse an allen Themen rund um Sexualität hatte, habe ich in dem Gespräch mit Julia schnell gemerkt, dass das Spielfeld “Sexualität” bei einigen Menschen deutlich größer ist als mein eigenes. Nehmen wir nur mal das Thema “offene Beziehung”. Aktuell gefühlt irgendwie trendy für mich persönlich ein absolutes No-Go. Ich sage immer, eine offene Beziehung würde mich entweder in die Psychiatrie oder ins Gefängnis bringen. Denn ich bin fürs “Teilen” einfach nicht gemacht. Allein die Vorstellung, dass mein Mann einer anderen Frau Vergnügen bereiten könnte, lässt mich so sauer werden, dass ich kaum noch weiter tippen kann.
Als ich mit Julia darüber spreche, fragt sie mich, was ich mit Sexualität verbinde? Meine Antwort: Liebe. Sex ist für nicht nur eine reine körperliche Bedürfnisbefriedigung, sondern auch ein Ausdruck von Liebe. Wahrscheinlich ist deshalb auch ein offenes Beziehungskonzept absolut unvorstellbar für mich. Dennoch habe mich oft gefragt, ob ich einfach zu egoistisch, zu eifersüchtig oder zu unsicher bin, um ein offenes Beziehungskonzept nachvollziehen zu können. Zwischendrin dachte ich auch, dass Menschen, die in einer offenen Beziehung leben, der Erleuchtung einfach schon näher sind, weil sie so selbstlos teilen können. Julia gab Entwarnung und meinte, es gibt einfach Menschen, für die sind offene Beziehungen cool, weil sie Sex nicht zwangsläufig mit Liebe assoziieren. Und dann gibt es noch Menschen wie mich, für die ist es eben nicht cool. Und das ist genauso ok und normal.
Julia bemerkte mein emotionales Chaos rund um das Thema und versuchte es mir mit einem Vergleich näher zu bringen. Sie sagte, auch wenn der Vergleich hinkt, soll ich es mir in Zusammenhang mit Essen vorstellen. Es gibt Menschen, die lieben abwechslungsreiches Essen und probieren ständig neue Dinge/neue Restaurants aus. Und dann gibt es die Menschen, die immer ins gleiche Restaurant gehen und gerne das essen, was sie kennen und damit absolut glücklich sind.
Was Monogamie mit meiner Vorliebe zu Porridge zu tun hat
An dieser Stelle musste ich lachen. Auch wenn Julia immer wieder betonte, dass man seine sexuellen Bedürfnisse nicht wirklich mit seinen kulinarischen Vorlieben vergleichen kann, hatte ich das Gefühl, mich in dem Bild wieder zu finden. Ich dachte nur: “Kein Wunder, dass ich Monogamie so mag”. Denn ich könnte völlig problemlos bis an das Ende meines Lebens zum Frühstück Porridge mit Banane essen. Ich muss beim Essen nicht immer was Neues ausprobieren. Ich kann auch immer wieder dasselbe auf eine neue Art und Weise genießen.
Ein Dreier als Teamplay Veranstaltung
Vieles von dem, was Julia mir erzählte, fühlte sich wie aus einer anderen Welt an. Allerdings wie aus einer Welt, die ich für mich nicht entdecken werde. Ich mag meine Welt. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht als Außenstehende mehr über diese fremde Welt erfahren will. Eben weil sie mir so fremd ist, finde ich so interessant. Und Julia ist der perfekte Guide für einen Ausflug in diese andere Welt. Mit ihr über Sex zu sprechen fühlte sich unglaublich selbstverständlich und leicht an, so als würde ich in der Eisdiele Pistazieneis bestellen.
Dabei spricht sie über alle sexuellen Vorlieben mit der gleichen Neutralität. Egal ob Pipifetisch, Swingerclubs, oder ein Dreier. Der war 2021 im Sexreport von Amorelie übrigens auf Platz Eins der geheimen Wünsche. Julia erklärte mir, worauf es bei einem guten Dreier ankommt. Ihre Empfehlung, man sollte eine erfahrene dritte Person dazu einladen. Denn ein guter Dreier hat nichts mit einem Konkurrenzkampf untereinander zu tun, sondern ist eher wie eine Art Teamplay.
Wenn z.B. eine Frau einen Dreier mit zwei Männer hat, dann sollte es nicht darum gehen, wer von den beiden Herren der geilere Hengst ist, sondern nur darum, wie das Trio gemeinsam die größtmögliche Lust empfinden kann. Und das kann auch bedeuten, dass sich die beiden Herren als Team darum bemühen, die Frau zur Ekstase zu bringen.
Meine Fehlinterpretation von Fifty Shades of Grey
Am Ende unseres Gesprächs sind wir noch bei Fifty Shades of Grey gelandet. Ich mag die Bücher allerdings ist mir im Gespräch mit Julia aufgefallen, dass ich einige Aspekte von BDSM völlig falsch interpretiert habe. Ich dachte immer, dass der dominante Partner beim Liebesspiel an sich die Macht hätte. Dabei ist es der Partner, der sich unterwirft, derjenige, der die Spielregeln bestimmt. Der Partner, der dominiert, darf also nur in dem Rahmen agieren, den der unterwürfige Partner mit seinen Grenzen vorgibt. Das heißt, er trägt zwar die Verantwortung dafür, dass das Spiel läuft, aber wenn es hart auf hart kommt, hat er keine Entscheidungsbefugnis. Christian Grey hat so was in der Art zwar immer wieder in dem Buch betont, aber so richtig verstanden hatte ich es offensichtlich nicht. Oder ich habe es ihm einfach nicht geglaubt. I don’t know.
Nach dem Interview mit Julia kann ich auf jeden Fall verstehen, warum sich ihr so viele Männer anvertrauen. Es ist schön, mit jemanden zu reden, der so viel über das Thema weiß, der nicht urteilt, sondern einfach nur da ist, einem dabei hilft zu reflektieren und vor allem auch dabei eine Lösung zu finden.
Wer jetzt mehr über Julia und ihre Arbeit erfahren möchte, der kann auf ihrer Webseite oder auf ihrem Instagram vorbeischauen. Und falls ihr Fragen zu dem Thema habt, schreibt mir, oder meldet euch direkt bei Julia.