Selbstexperiment – 30 Tage Klavier spielen lernen
“Macht Klavier spielen, Fehler resistent? Bzw. kann man mit Klavier spielen, seine Angst davor Fehler zu machen, reduzieren?”
Klavier spielen gehört zu den Dingen, von denen ich schon als kleines Mädchen geträumt habe. Wenn ich hörte, dass jemand singen oder ein Instrument spielen konnte, wuchs meine Bewunderung für diese Person exponentiell. Einfach, weil sie etwas konnte, von dem ich nur träumte.
Heiß! Nicht heiß! Heiß?
Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass ich einen Jungen bei einer Schulaufführung aufgrund seines Gesangs total heiß fand, obwohl er es zuvor und auch irgendwie danach definitiv nicht war. Seine Stimme machte ihn attraktiv. Ein Phänomen, das ich schon bei vielen Künstler beobachtet habe. Am gefährlichsten sind immer die, die singen und ein Instrument spielen können. Durch ihr einzigartiges Spiel werden plötzlich Personen superattraktiv, die es rein äußerlich betrachtet eigentlich nicht sind.
Musik ist was für andere
Doch auch, wenn ich Musik machen, insbesondere Klavier spielen absolut großartig finde, habe ich oft das Gefühl es sei eher was für die Anderen und nicht für mich. Denn ich habe weder den Groove im Blut, noch kann ich im Takt klatschen geschweige denn Noten lesen. Ich liebe Musik, doch ich bin einfach schrecklich unmusikalisch. Aus diesem Grund spiele ich bisher kein Instrument. Auch wenn ich mir gern vorstelle, wie ich am Klavier sitze und Bellas Lullaby spiele. Ich habe es nie versucht.
Was du selbst nicht kannst besorgen, das projiziere auf die Leute von Morgen
Seit meine Kinder größer sind, habe ich inständig darauf gehofft, dass ich wenigstens sie dazu bringen kann ein Instrument zu spielen. Doch bei jedem “Nein, das will ich nicht”, das ich kassiere, schwindet die Hoffnung ein Stück. Ich habe zwischendurch sogar überlegt, ob ich sie nicht einfach á la “ich will nur das Beste für dich” zwingen soll. Habe mich dann aber doch dagegen entschieden, als mir auffiel aus welch egoistischen Beweggründen ich das beinah getan hätte.
Der Werbung sei dank
Mittlerweile habe ich es aufgegeben, sie alle zwei Minuten mit der Idee, sie könnten ein Instrument lernen, zu nerven. Sie müssen es selbst wollen. So wie ich es will. Doch trotz Wille, war der Gedanke es tatsächlich zu tun ganz weit von mir weg. Bis vor zwei Wochen, da lief mir zufällig eine Werbeanzeige in den sozialen Medien über den Weg, die mir all das versprach, was ich schon immer wollte. Und, die gleichzeitig all meine Ausreden, wie “zu teuer”, “zu aufwendig”, “zu schwierig”…den Wind aus den Segeln nahm und ich fragte mich zum ersten Mal: “Kann ich das vielleicht doch lernen?”
Der Monolog, der inneren Kritikerin
In dem kurzen Werbevideo der App, haben sie ältere Menschen gezeigt, die total happy mit dem Tablet am Klavier sitzen und spielen. Sie versprachen Spaß beim Spiel und schnelle Erfolge. Eine Stimme in mir sagte direkt, “Ok, da du nur halb so alt bist, wie diese Menschen in dem Video, könntest du gute Chancen haben es auch zu lernen.” Meine innere Kritikerin warf jedoch sofort ein, dass es nur Werbung sei und es höchstwahrscheinlich weder so cool noch so easy werden würde, wie in diesem Video. Sie brachte lauthals alle Argumente hervor, die sie von Anbeginn dieses Traums gesammelt hatte, und hielt einen Monolog, der selbst vor Gericht durchgegangen wäre. Ihre Argumente, mein fehlendes Taktgefühl, die Tatsache, dass ich absolut unmusikalisch war, kein Instrument hatte und auch nie die Ambition hatte Noten lesen zu können. Kurz gesagt, sie hält das alles für eine Schnapsidee und will das alle Bemühungen hinsichtlich “Musik machen” eingestellt werden.
Nur mal testen
Doch einem kleinen, aber energischen Teil in mir, geht dieses Bild von mir am Klavier nicht mehr aus dem Kopf. Diese Werbung hat mir irgendwie Hoffnung gegeben. Aus diesem Grund habe ich heute Morgen ein Probeabo abgeschlossen und damit den kleinen Zeh ins kalte Wasser des Musik machens gehalten. Zum Üben werde ich kurzfristig das Kinderkeyboard meines Mann benutzen. Ja, richtig gehört, dass Kinderkeyboard meines Mannes. Das hat dank meiner Schwiegereltern, die eine gewisse Ausdauer im Aufbewahren von Dingen haben, die letzten 20 Jahre überlebt.
Übereifrig wie ich bin, habe ich meine erste Übungseinheit schon hinter mir. Das Spannende daran, ich habe direkt festgestellt, das mich nicht der Glaube “unmusikalisch zu sein” vom Keyboard spielen abgehalten hat, oder eine meiner 100 Ausreden. Nein, mich hat meine Angst davor Fehler zu machen davon abgehalten. Und vor allem die Angst davor, dass jeder hört wie oft ich die Fehler wiedehole bis ich es vielleicht irgendwann kann. Direkt bei der ersten Übungseinheit war da plötzlich so viel innerer Widerstand und Angst, dass ich dachte: “Zum Glück habe ich nur das Probeabo abgeschlossen und kein Keyboard gekauft. Ich lasse es lieber”. Doch zum Glück weiß ich mittlerweile, dass ich in diesen Momenten durch die Angst gehen muss, anstatt davor wegzulaufen.
Das Leben ist eine Challenge
Damit mir das ein wenig leichter fällt, habe ich kurzerhand beschlossen ein Selbstexperiment daraus zu machen. Keine Ahnung wieso, aber unter dem Deckmantel eines Experiments habe ich oft mehr Mut und Durchhaltevermögen, als wenn ich es nicht so betitele. Es gibt dem Ganzen einen Rahmen. Und irgendwie geht es dann mehr um die Sache, als um mich persönlich. Bei diesem Experiment will ich herausfinden, ob ich meine Angst davor Fehler zu machen mit dem Keyboard spielen überwinden kann, bzw. ob mich Klavier spielen mich Fehler resistent macht? Und wer weiß, vielleicht bin ich meinem Traum eines Tages Bellas Lullaby auf dem Klavier zu spielen am Ende ein Stück näher.
Selbstexperiment Bedingungen
Ich werde den kompletten Januar jeden Tag 30-45 Minuten mit der App und dem alten Kinderkeyboard in die Tasten hauen. Eigentlich hätte ich gern Klavier spielen gelernt, aber der Einfachheit übe ich jetzt mit dem Keyboard. Mein aktueller Wissensstand: ich weiß absolut nichts. Ich kann keine Noten lesen. Ich weiß nicht, wo meine Finger hinkommen, geschweige denn warum es weiße und schwarzen Tasten gibt. Ich starte beim absoluten Nullpunkt. Und ich bin sehr gespannt wie mein Wissensstand am Ende ist. Ich habe mir keine feste Trainingszeit überlegt, auch wenn das bei der Routinenentwicklung hilft. Ich will zu der Tageszeit spielen, wo ich Lust drauf habe und es sich gut anfühlt.
In diesem Sinne, lasst das Spiel beginnen. Ich bin sehr gespannt, ob mich das Klavier spielen am Ende Fehler resistent macht. Und vor allem bin ich gespannt darauf, was ich bei dem Experiment alles lernen werde. Wer weiß, vielleicht willst du ja mitmachen und auch ein Instrument lernen? Wenn du Fragen zum Experiment haben solltest, schicke mir gerne eine Nachricht. Ich freue mich von dir zu hören.
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