Reden ist so einfach, oder auch nicht?!

Selbstexperimente, Partnerschaft, Kommunikation Ehe,

Februar Experiment: 30 Minuten am Tag mit dem Partner reden und die Frage: “Kann man sich nach über 15 Jahren Beziehung noch täglich was Neues erzählen?”

Ich mache es kurz- mein Mann und ich anscheinend nicht. Zumindest aktuell nicht. Vor Beginn des Selbstexperiments war ich mir unsicher, ob sich diese Fragestellung überhaupt als Experiment eignet. Jeden Tag 30 Minuten mit seinem Partner ein interessantes Gespräch zu führen klang zu leicht und schon fast langweilig normal. Doch nach den ersten zwei Tagen, dachte ich schon “Heilige Scheiße, wie kann reden nur so schwer sein?”. 

Was einfach aussieht, ist oft ganz schön schwer…

Es war sogar so anspruchsvoll, dass wir daran gescheitert sind. Ein absoluter Witz, wenn ich bedenke, dass ich weder mein Zuckerfrei Experiment noch mein 4:30Uhr morgens Aufsteh-Experiment abgebrochen habe. Ausgerechnet bei einem Experiment bei dem es ums Quatschen geht, bin ich gescheitert. Ironie pur. Ich könnte jetzt sagen, dass es ganz klar seine Schuld war, doch das war es nicht. Keiner ist Schuld. Wir sind nur eben keines dieser Paare, die jeden Tag irre viel miteinander reden. 

Timing Baby

Dazu kam, dass das Experiment einfach zu einer schwierigen Zeit startete. Wer hat sich schon in zwei Wochen Quarantäne täglich was Neues zu erzählen? Wir nicht. Ganz davon abgesehen, dass die Interessen und Hobbies von mir und meinem Mann kaum unterschiedlicher sein könnten. Eigentlich mögen wir meistens genau das krasse Gegenteil von dem was der andere mag. Unser gemeinsamer Nenner, unsere Liebe füreinander, Marvelfilme, Pizza, Reisen und unsere Kinder. Unsere unterschiedlichen Interessen, sehe ich als große Bereicherung. Meistens. Denn die Gegensätze machen das Leben miteinander zwar unglaublich interessant, aber nicht unbedingt immer einfach. 

Don’t change a running system

An Tag eins, wollte ich es uns mit einer “Nenn mir deine Top 5 Frage” leicht machen. Und tatsächlich es war ein schönes und lustiges Gespräch über unsere fünf Lieblingsfilme und Lieblingsschauspieler. Ganz nach dem Motto “don’t change a running system” wiederholte ich das Frageschema an Tag zwei. Diesmal funktionierte es allerdings gar nicht. Ich fragte ihn, welche 5 Dinge er in diesem Leben unbedingt machen bzw. erreichen möchte. Während ich innerhalb von 3 Minuten alles sehr ausführlich runtergerattert hatte, war er mehr oder weniger sprachlos. 

Ein Satz, der es in sich hat

Erstens hatte er sich noch nie Gedanken darüber gemacht was er vor seinem Ableben unbedingt machen wollte. Und zweitens konnte er vieles von dem was ich sagte nicht nachvollziehen. Zum Beispiel, als ich sagte, dass ich schon beleidigt mit dem Leben wäre, wenn ich es nie schaffen würde einen Bestseller zu schreiben. Alles was er sagte war: “Und was machst du, wenn du es nicht schaffst? War dein ganzes Leben dann nichts wert?”.

Ich antwortete schnell: “Nein natürlich nicht, aber ich will es zumindest versucht haben”. Gleichzeitig dachte ich nur “Verdammt, warum muss er immer nur so schlaue Sachen sagen?!”. Und irgendwie war unser Gespräch, damit mehr oder weniger schon beendet. Was auch gar nicht schlimm war, denn dieser eine Satz von ihm beschäftigte mich so, dass ich mich in meinen Kopf verabschiedete.

Monolog vs. kommunikatives Ping Pong

Als ich am nächsten Tag darüber nochmal über das Gespräch vom Vortag nachdachte, fiel mir auf, dass unsere Gespräche über Themen, die ich spannend fand meistens so abliefen. Ich führte ein ellenlangen Monolog, er hörte geduldig zu. Dann sagte er einen Satz der mich zum Nachdenken brachte und unser Gespräch war beendet. Da ich mir von dem Experiment aber eher ein kommunikatives Ping Pong Spiel erhoffte und kein Monolog meinerseits. Änderte ich die Taktik und ließ ihn ein Thema vorschlagen. 

Ungewollt sprachlos

Inspiriert von meiner Top 5 Strategie, fragte er mich nach meinen fünf Lieblingsautos, die ich mir kaufen würde, wenn weder das Geld noch die Umwelt eine Rolle spielen würde. Ich freute mich über die Frage, war mir aber schnell darüber im Klaren, dass ich in dem Fall weder ein guter Gesprächspartner noch Zuhörer abgeben würde. Ich brauchte ewig bis mir 5 Autos einfielen und als er mir seine nannte, fragte ich nach jedem Autonamen, wie das Auto überhaupt aussah und was besonders daran war. Nun war er derjenige der den Monolog hielt. Nur das ich am Ende keinen schlauen Satz sagte, der ihn zum Nachdenken brachte.

Einen Tag später starteten wir einen neuen Versuch, brachen das Ganze aber nach 10 Minuten ab, als wir merkten, wie sehr sich das nach “müssen” anfühlte. Darauf hatten wir beide kein Bock. Während er sofort wieder im Alltagsmodus war, war ich im ersten Moment ein wenig enttäuscht von uns. Vor allem, weil es überall heißt “Reden ist das A und O in einer Beziehung”. Ich dachte sogar für einen kurzen Moment darüber nach, ob unsere Beziehung vielleicht kaputt sei und ich es nur nicht merken würde. 

Miteinander schweigen können

Plötzlich dachte ich darüber nach, wie unsere Kommunikation in den letzten 15 Jahren aussah und stellte fest, sie funktionierte von Anfang an mit wenigen Worten. Ich erinnere mich noch gut an einen Abend in unserer Kennenlernphase. Wir waren mit einer größeren Gruppe an Freunden in einer Bar. Und mein Mann und ich taten den ganzen Abend nichts anderes als uns gegenüber zu sitzen, uns anzuschauen und miteinander zu lachen. Das skurrile daran, keiner von uns beiden sagte etwas. Weder “hallo” noch “Tschüss” oder irgendwas dazwischen. Wenn ich so erzähle, hört es ziemlich kitschig und albern an, doch das war es nicht. Irgendwie war magisch. Ich hatte vorher und auch danach nie wieder einen Mensch getroffen, mit dem ich so gut schweigen konnte. Und das ist heute noch so. Wir verstehen uns wortlos und wissen oft was der andere sagen will bzw. denkt, bevor er es überhaupt ausspricht.

Wortlose Kommunikation

Das liegt vielleicht schon an all den vielen Jahren, die wir miteinander verbracht haben. Doch generell findet unsere Kommunikation, glaube ich  70% der Zeit einfach ohne Worte statt und das ist schräg aber wunderschön. Als mir das aufgefallen ist, war es auch gar nicht mehr schlimm, dass dieses Experiment gescheitert ist. Es hat nur wieder gezeigt, dass ich mir keinen Schuh anziehen sollte, der nicht zu mir passt. Denn wenn ich ehrlich bin, wollte ich das Experiment “mehr reden” nur machen, weil ich dachte, wir würden im Vergleich zu anderen zu wenig reden. Doch Kommunikation ist komplex und vielleicht brauchen wir einfach weniger Worte. Vielleicht hat deshalb unser “Jeden Tag Sex Experiment so gut funktioniert”. Wer weiß.

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